Während die Straßennamengebung im Mittelalter und in der frühen Neuzeit noch das Ergebnis einer Übereinkunft zwischen den Anwohnern einer Siedlung war, also des Gebräuchlich-Werdens eines interaktional gewachsenen Namens, so etablierte sich im 19. Jahrhundert zunehmend die Praxis administrativer Vergabe – und zu der ursprünglichen, primären Orientierungsfunktion von Straßennamen trat fortan deren Erinnerungsfunktion.[1] Diese funktionelle Überlagerung führte wiederum zu einer tendenziellen Entkoppelung der Straßennamen „vom umgebenden Raum“.[2] Moderne Straßennamen beziehen sich häufiger auf die umgebende Kultur oder Herrschaft. Namenswechsel resultieren daher weniger aus Änderungen der realen Grundlagen einer Benennung, sie sind nun zumeist „Folgen und Zeichen politischer Zäsuren“ (in Deutschland etwa 1918/19, 1933, 1945/49, 1989/90).[3]
Gerade in Zeiten politischer Turbulenzen und Transformationen unterziehen die jeweiligen Machthaber den Straßennamenbestand einer kritischen Revision: Welche Traditionen erweisen sich als anschlussfähig und sollen fortgeführt, welche Traditionsstränge hingegen gekappt werden, weil sie nicht länger identifikatorisch wirken? Selektivität und Wandelbarkeit zählen somit zu den wesentlichen Merkmalen des Erinnerungsträgers „Straßenname“. Um dem Gegenstand gerecht zu werden, gilt es diese und die folgenden Dimensionen zu berücksichtigen:[4]
Unter Einbeziehung der hier skizzierten Dimensionen wird in den folgenden Kapiteln die „kurze Geschichte“ der kolonialen Straßennamen in Frankfurt am Main skizziert.[6] Betont wird dabei der instrumentale Charakter der Straßenbenennungen, ihre „Inanspruchnahme von Geschichte für Gegenwartszwecke“ – kurzum: Geschichtspolitik.[7]
Bis zum 31. Dezember 2013 gab es in Bad Hersfeld eine Carl-Peters-Straße und eine Lüderitzstraße. Nach einer mehrjährigen lokalen Debatte in der Stadtverordnetenversammlung wurden beide schließlich umbenannt. Seit dem 1. Januar 2014 heißt erstere Elisabeth Selbert-Straße und letztere Johannes-Klein-Straße.
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