Mit der Erschließung außereuropäischer Gebiete entstanden auch auf dem Gebiet des heutigen Hessens Kolonialwarenläden. Sie prägten über Jahrzehnte die Alltagswelten der Stadt- und Landbevölkerung. Zumindest gibt es eine größere Anzahl an Lokalgeschichten, die an Kolonialwarenläden und -händler erinnern und die Vermutung nahelegen, dass es nahezu in jedem hessischen Ort einen oder mehrere dieser Läden gegeben hat. Mit unseren heutigen Supermärkten sind diese Läden allerdings kaum zu vergleichen. Sie bestanden in vielen Fällen aus nur einem Verkaufs- und Lagerraum, der in ein Wohnhaus integriert war und zum Laden umfunktioniert wurde. Geregelte Öffnungszeiten waren selten, ebenso wie Schaufenster. Die meisten Läden waren Familienbetriebe.
Verkauft wurde in den Kolonialwarenläden, ebenso wie in Kram- und Gemischtwarenläden (eine eindeutige Trennung ist kaum möglich), alles, was die Dorfbewohner nicht selbst herstellen konnten, z.B. Zucker, Salz, Reis, Nudeln, Grieß, Senf, Essig, Öl, Margarine, Gewürze, Süßigkeiten, Kaffee, Tee, Artikel für die Körperpflege, Tabak und Zigaretten, Gummi und Petroleum.
Seit den 1950er/1960er Jahren verschwanden die meisten dieser kleinen Läden. Zwischen 1962 und 1972 ging die Zahl der kleinen Lebensmittelgeschäfte um etwa ein Drittel zurück. Die Gründe hierfür waren vielfältig, z.B. Verlagerung von Arbeitsplätzen aus dem Dorf in weiter entfernte (Klein-)Städte, höhere Mobilität, Entstehung von Groß- und Supermärkten.
Heutzutage existieren die meisten dieser Läden nicht mehr. Zum Teil gingen sie in späteren Großhandelsfirmen auf. Gelegentlich finden sich in einzelnen Firmengeschichten Verweise auf diese Vorgeschichte. Zum Teil übernahmen Supermärkte und großen Warenhäuser die Funktion lokaler Kolonialwarenhändler.1)
Ein Teil von diesen schloss sich im Jahr 1898 zur „Einkaufsgenossenschaft der Kolonialwarenhändler im Halleschen Torbezirk zu Berlin“ kurz E.d.K zusammen, die seit dem Jahr 1911 unter dem bis heute gültigen Firmennamen Edeka agiert.
Das „Deutsche Kolonialhaus“ wurde 1896 von dem Berliner Kaufmann Bruno Antelmann gegründet. Sein selbst gestellter Auftrag lautete, „die Erzeugisse der deutschen Schutzgebiete unter zuverlässiger Kontrolle ihrer Echtheit dem deutschen Publikum nahe zu bringen und den deutschen Markt auf diese Weise nach und nach von dem Import fremder Kolonialerzeugnisse immer unabhängiger zu machen.“ Zum Warenangebot gehörten Lebensmittel (Kaffee, Kakao, Pralinen, Tee, Kokosnussmakronen, Tabak, Erdnuss-Speiseöl, Kokosnussfett und Gewürze) sowie auch Ethnographica und sogenannte Galanteriewaren, also modische Accessoires. Das Deutsche Kolonialhaus expandierte schnell über Berlin hinaus und hatte um 1900 mehr als 300 Niederlassungen in ganz Deutschland, unter anderem auch in Frankfurt, Kassel und Wiesbaden.10)