Im Vergleich zu anderen Kolonialmächten setzte in Deutschland das politische Interesse an der Besitznahme von Kolonien spät ein. Demgegenüber entwickelte sich in den modernen Wissenschaften bereits wesentlich früher das Verlangen, die Welt auch jenseits der bekannten Grenzen zu durchdringen. Diese Ausweitung des Forschungsinteresses war anfangs nicht notwendigerweise mit imperialistischen Gesinnungen verbunden. Der Idee einer friedlichen Erfassung und Inventarisierung der Welt folgten etwa die Brüder Wilhelm und Alexander von Humboldt.[1]
Die Kolonialexpansion der 1880er Jahre lenkte den Fokus wissenschaftlicher Forschung stärker auf koloniale Fragen. So forderten Politiker, wissenschaftliche Forschungen für die Erschließung und Entwicklung der Schutzgebiete nutzbar zu machen. Neben einer verstärkten Forschung wurden kolonialrelevante Themen auch in den Lehrveranstaltungen behandelt. Die vertretenen Meinungen über koloniale Expansion blieben jedoch uneinheitlich. In den Diskurs vermischten sich sowohl kritische als auch befürwortende Stimmen. Gegenwind wehte den Kolonialagitatoren etwa von dem einflussreichen Mediziner Rudolf Virchow entgegen. Dieser riet zur Vorsicht, weil er eine europäische Besiedlung Afrikas aufgrund der klimatischen Bedingungen für problematisch hielt. Andere Disziplinen, wie etwa breite Teile der Geografie, machten sich demgegenüber für die koloniale Frage stark. So bezeichnet der Historiker Horst Gründer die geographischen Gesellschaften als Keimzellen der später entstehenden Kolonialvereine.[2]