Versteht man Gift als ein »Medium«, das eine gefährliche Botschaft vermittelt, dann ist die Verhandlung des Giftmordes vor Gericht eine gleich mehrfache Spiegelung. Eine solche rechtliche Spiegelung findet sich in wissenschaftlichen und kriminalistischen Fachzeitschriften, und eine erneute Reflexion findet sie wiederum im Kino. Kaum ein Film, der einen Giftmord zum Gegenstand hat, verzichtet auf die Inszenierung der Gerichtsverhandlung. Anhand von Fallstudien und Filmen untersucht das Panel Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Vergiftungsdiskursen in verschiedenen Zeiten und Medien. Durch die Analyse exemplarischer Gerichtsfilme, medizinischer und forensischer Publizistik möchten wir das Paradox des Giftes, die Schwierigkeiten der Darstellung des Giftmordes und den Versuch der Übertragung dieser Ambivalenzen auf die rechtliche Verhandlung in den Medien darstellen.
Das Recht scheint das Unfassbare des Gifts greifbarer werden zu lassen. Doch macht diese Spiegelung die Schwierigkeiten der visuellen Darstellung des »Mediums Gift« im Medium Film nicht geringer. Im rechtlichen Giftdiskurs findet lediglich eine Verschiebung des verhandelten Gegenstandes auf die narrative und damit sprachliche Ebene statt. Dies bleibt entweder sehr unfilmisch oder bedarf einer Rückübersetzung ins Visuelle, die aber mit denselben Schwierigkeiten einhergeht oder misslingt. Bedarf jedes Gift eines Mediums, einer Transportsubstanz, um wirken zu können, konzentriert sich die Darstellung des Giftes meist auf diese Substanz. – Zeitlich voraus gehen dem Film Fallberichte und Gefahrendiskurse in Publikumszeitschriften und wissenschaftlichen Printmedien des 19. Jahrhunderts. Auch im »Medium Wissenschaft« scheitert der Nachweis von Vergiftung häufig: Substanzen stellen sich nicht dar, die Nachweise sind uneindeutig oder die Giftigkeit des Stoffes unbestimmt. Alle Fallstudien stehen für ein zumindest teilweises Scheitern der Territorialisierungsversuche des Gifts durch Wissenschaft und Recht.
Bettina Wahrig (Braunschweig)
Wie die Gifte fliegen lernten. Schädliche Stoffe im Alltag des 19. Jahrhunderts und die europäische Öffentlichkeit
Julia Saatz (Braunschweig)
Giftmörderinnen vor Gericht – Die Typisierung von Angeklagten in den Medien zwischen 1750 und 1850
Anke Zechner (Braunschweig)
»She will be hanged after three clear Sundays«
Heike Klippel (Braunschweig)
Das Recht auf Gift. Filmische Legitimationsdiskurse des Giftmörders