Ludwig-Maximilians-Universität München
Beim »Let's Play« handelt es sich um eine Praxis, die vor Kurzem im Kontext verschiedener Online-Videoplattformen entstand und bereits dabei ist, zu einem ähnlich breit rezipierten Unterhaltungsmedium wie die e-Sports zu avancieren. Nutzer verschiedener demographischer Gruppen spielen Computerspiele, kommentieren ihr Spielen zeitgleich, nehmen dies via screen capturing auf und stellen die Ergebnisse den Besuchern von Portalen wie Youtube zur Verfügung. In Verbindung mit dem regen Austausch zwischen Kommentierenden, Zuschauern und Spielefans entwickelt sich eine Subkultur, die von der Abkehr von konventionellen Unterhaltungsmedien und von der Freude an frei zur Verfügung gestellter und frei rezipierter Unterhaltung markiert ist.
Gleichzeitig konfrontiert dieses junge – und bisher akademisch kaum betrachtete – Unterhaltungsmedium alle Beteiligten mit einigen Problemen rechtlicher, ästhetischer und ethischer Natur; so bewegt sich die Praxis des »Let's Play« dort, wo sie ohne finanziellen Gewinn seitens der Kommentierenden und bei vollständiger Freiwilligkeit der Zuschauer stattfindet, in einer rechtlichen Grauzone und ist eher geduldet denn gestattet. Dort, wo die Praxis mit rechtlicher Absicherung und im Rahmen geschäftlich geführter »Let's Play-Konglomerate« wie Machinima oder The Game Station stattfindet, ist sie verbunden mit Werbeverträgen seitens der Kommentierenden und dem Ausgesetztsein dieser wirtschaftlichen Interessen seitens der Zuschauer – das Ergebnis sind oft heftige Diskussionen im Spiele-Fandom, das den Verlust der freien, freiwilligen Unterhaltung beklagt, während diese Stimmungen gleichzeitig die Spieleproduktion selbst beeinflusst.
Hier stellen sich alte Fragen in neuem Kontext: gibt es ein Recht auf Unterhaltung? Und ist ein solches Recht verbunden mit einer ethischen Rezeptionshaltung, einer Verantwortung der Berechtigten?
Tom Reiss hat in München Neuere Deutsche Literatur, Komparatistik und Linguistik studiert. Im Rahmen des strukturierten Promotionsstudienganges »Literaturwissenschaft« der LMU München und mit einem Promotionsstipendium des Elitenetzwerks Bayern arbeitet er an seinem Dissertationsprojekt zu einer Semiotik des Phantastischen, untersucht anhand der Werke Franz Kafkas und Haruki Murakamis. Er ist Lehrbeauftragter am Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der LMU sowie Redakteur und Autor bei Hinterland, der Vierteljahresschrift des Bayerischen Flüchtlingsrats.