Julia Saatz

Technische Universität Braunschweig

Giftmörderinnen vor Gericht – Die Typisierung von Angeklagten in den Medien zwischen 1750 und 1850

Als dämonische Mörderinnen wurden sie in den zeitgenössischen Medien inszeniert: die bis heute berühmten Giftmörderinnen Sophie Charlotte Elisabeth Ursinus (1760-1836), Anna Margarethe Zwanziger (1760-1811) und Gesche Margarethe Gottfried (1785-1831). Zeitungen, Journale, Kriminalgeschichten und Biographien stilisierten sie entweder zu großen Leidenschaftsverbrecherinnen oder zu tückischen Giftmischerinnen. Die Quellen dieser Typisierungen sind die Medien der Zeit: Veröffentlichte Gerichtsprotokolle, Zeitungsberichte und Drucke von Prozessbeschreibungen entwarfen Bilder von den Angeklagten, die sie häufig auch mit Portraits versahen. Juristen, die noch während der Prozesse oder kurz danach Charakterstudien publizierten und Mediziner, die ihre medizinisch-gerichtlichen Gutachten veröffentlichten, galten mit ihren Einschätzungen als glaubwürdige Experten und Autoritäten, auf die sich spätere Autoren beriefen und deren Beschreibungen Einfluss nahmen auf literarische Fallsammlungen und Romanverarbeitungen wie auch auf mündlich kursierende Gedichte und Bänkelgesänge. Diese mediale Öffentlichkeit – die alles vom mündlichen Gerücht über die gerichtlichen Untersuchungen bis hin zum öffentlichen Gerichtsprozess aufnahm – wies den Angeklagten Charaktereigenschaften zu, die sich bis ins aktuelle Alltagswissen gehalten haben. Deutlich wird diese Aktualität der Giftmörderstereotypen in Romanen, »Real-Crime-Berichten« aus Literatur oder Fernsehen und ebenso in Filmen. Die immer wieder reproduzierten Bilder von der feigen und körperlich schwachen, dafür aber hinterhältigen Giftmörderin trugen dazu bei, dass das Vorurteil, Giftmorde würden überwiegend von Frauen verübt, auch heute noch präsent ist.

Vita

Studium der Germanistik und Geschichte in Braunschweig; seit 2013 Promotionsstudentin in der Abteilung für Pharmazie- und Wissenschaftsgeschichte an der TU Braunschweig; Thema der Dissertation: Vergiftungsfälle in Wissenschaft, Justiz und Öffentlichkeit zwischen 1750 und 1850.