Ludw. Boltzmann-Inst. f. Geschichte und Gesellsch.
Mein Vortrag gilt der Frage nach der Gerechtigkeit von Medien gegenüber dem, was durch sie in Erscheinung tritt. Das Gerecht-Werden befrage ich in Hinblick auf Filmtheorien mit politischen Denkspieleinsätzen.
Deleuze formuliert seine Filmontologie mitunter rechtskritisch: Er fragt, mit welchem Recht ein Bild beansprucht, die Vergangenheit, Differenz, unmenschliches Sein erscheinen zu lassen; oder er spricht vom Sturz der Urteilsinstanz ins Regime Wert schätzender/bildender Kräfte im Kino der Fälschung. In Badious Fortführung seiner Treuepolitik in Film-Essays begegnen wir der Frage, wie Kino menschlicher Gegenwart gerecht wird; diese Gerechtigkeit gilt der Fähigkeit zur Gleichheit (unter der Hand nobilitiert zur Wahrheitsbefähigung). Bei Rancière wäre dreierlei über seine Filmtheorie anzuvisieren: sein Politikkonzept dissensualer Ermächtigung unvorhergesehener AkteurInnen (mit ästhetizistischer Schlagseite); seine punktuelle Kritik postdemokratischer Anpassung von Recht (von Gesetz, »Polizei«) an die Norm (an Dynamiken von entfesseltem Kapital und Wellness-Rassismus); schließlich seine Frage nach dem Subjekt der Menschenrechte, mit Antwort in Richtung einer Politik, die sich auf Rechte beruft, die eine/r bzw. eine Gruppe nicht hat.
Deleuze, Badiou, Rancière: Ihr Gerechtigkeitsdenken zu/mit Film wäre – nicht trennscharf – zu sehen als eines der Rechtsanpassung (an Bild-Kräfte des Lebens im Werden), der Rechtsaussetzung (durch reine Wahrheit) und der Rechtsanmaßung (unfundierter Anspruch, self-thwarting); zu erweitern um ein Konzept vom Filmbild jeweils als visible, invisible, divisible, und um die Frage, was vor dem Gesetz ist: Vor dem Gesetz ist das Leben (Deleuze); sind alle gleich (aber statt Gesetz steht Wahrheit: Badiou); ist nach dem Gesetz (Ethos bzw. Postdemokratie: Rancière). Von Rancière her ist das Wort zu übergeben an die Wort ergreifenden, das Recht, das Weiße ihnen zu geben glauben, initiierenden Gesetzgeber/Gründer am Beginn von Spielbergs LINCOLN.
Filmwissenschaftler / Promotion Univ. Amsterdam / Lektor in Filmtheorie an Unis in Wien & Brno 1995-2012 / 2012-15 FWF-Forschungsprojekt Political Aesthetics of Contemporary European Horror Film
Publikationen zu Filmtheorie, insbes. Kracauer, Deleuze, Rancière, Elsaesser, Schlüpmann; Zweiter Weltkrieg/NS im Film
Gelegentl. Edutainer (u.a. Film Mock-ups in Close-up), Diskjockey, Filmkritiker
Monografien: Film ohne Grund. Filmtheorie, Postpolitik & Dissens bei Jacques Rancière. Wien/Berlin 2010 / Geschichtsästhetik und Affektpolitik. Stauffenberg und der 20. Juli im Film 1948-2008. Wien 2009