Ruhr-Universität Bochum
Denkt man Friedrich Kittlers Satz vom »Heeresgerät« konsequent weiter, so sind die gegenwärtigen »Sozialen Medien« ein Missbrauch von Heeresgerät des Kalten Krieges. Nicht länger nur Geheimdienste, auch Bundespolizeien und Grenzbehörden sammeln Unmengen von Daten, um über »den Feind«, aber auch über die eigene Bevölkerung und Reisende an Grenzen, um mittels großer Datensätze ein Optimum an Regierbarkeit zu erreichen. Konsequent setzt sich dieses Paradigma im kybernetischen Kapitalismus; im Tracking von Online-Kunden, Mitgliedern in sozialen Netzwerken bis hin zur selbsttechnologischen Überwachung der eigenen Vitalfunktionen fort.
Eine Heerestechnologie, die mit diesen Medien der »flüchtigen Überwachung« mehr als nur metaphorisch in Deckung gebracht werden kann ist die Drohne, das hat zuletzt Zygmunt Bauman eindrücklich gezeigt. Sie soll stellvertretend stehen für eine zunehmende Entpersonalisierung exekutiver Verantwortung zu Beginn des 21. Jh., und eine Inflation von »Sehmaschinen« (Virilio) durch neuesten Polizeitechnologien: Wenn Gesichter digital auf Pässen gespeichert werden, wenn Einwanderungsbehörden biometrische Informationen in Datenbanken vernetzen, wenn Drohnen zur Ausspähung zur Überwachung von Migrationsströmen eingesetzt werden, geschieht dies häufig unter der Suspendierung von Grund- oder Hoheitsrechten (Persönlichkeitsrecht, informationelle Selbstbestimmung, Überflugsrecht). Aus medienwissenschaftlicher Perspektive ist dabei die Automatisierung bildgebender und die Entpersonalisierung bildanalytischer Verfahren zentral. Im Vortrag sollen vor allem künstlerische Taktiken (de Certeau), aber auch »net(h)nographische« Gegensichtbarkeiten im Mittelpunkt stehen, die die rechtlich prekäre Situation von Individuation und Kontrolle durch ubiquitäre bildgebende Verfahren neu ausloten. Wie lassen sich die unsichtbaren Technologien der Überwachung sichtbar machen? Und umgekehrt: wie gelingt es, in einem Zeitalter ubiquitärer Überwachung unsichtbar zu bleiben?
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Medienwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Studium der Film- und Fernsehwissenschaft, Medienwissenschaft, Theaterwissenschaft sowie Anglistik in Bochum und Toronto. Promoviert zu »Fremdverkehr. Geschichte, Politik und Ästhetik von Migration« (AT der Diss.) Zuletzt erschienen ist eine Hg. (zusammen mit Natascha Frankenberg) »Im Netz der Eindeutigkeiten. Unbestimmte Figuren und die Irritation von Identität« (Bielefeld 2013).