Ruhr-Universität Bochum
Der Comic-Mainstream ist seit Anbeginn auf inhaltlicher Ebene mit (Un-)Rechtsdiskursen verknüpft. Gangster-, Detektiv- und die aus ihnen hervorgegangenen Superheldencomics verhandeln immer aufs Neue Fragen von Recht und Gesetz. Superman, der erste und prägendste Superheld, stellt seine anfänglich recht groben Methoden schnell in den Dienst der Öffentlichkeit und folgt einem Ethos, das ihn in eine Linie mit Staats- und Rechtssystem bringt. Gerade im Marvel-Universum wird Figuren wie Spider-Man oder den X-Men gesellschaftliche Anerkennung länger versagt, was sie oft ohne eigenes Zutun zu Gesetzlosen macht. Darüber hinaus begeben sich Figuren wie der Punisher oder Batman ständig oder zeitweise in offene Opposition zum Rechtsapparat und orientieren sich ausschließlich an ihrem eigenen Wertekodex.
Spätestens seit den 1980er Jahren sind die Justizdiskurse des Superheldencomics Gegenstand seiner eigenen Reflektion geworden. Der hier skizzierte Beitrag argumentiert, dass in den einschlägigen Texten dieser Tradition – von Moore und Gibbons Watchmen (1985-1986) über Mills und O'Neills Marshall Law (1987-2002) bis hin zu Ennis und Robertsons The Boys (2006-2012) – die fragwürdigen Rechtskonzepte ihrer Figuren nicht nur inhaltlich, sondern auch durch eine Ästhetik des Normbruchs zum Ausdruck bringen. Die gesamte Bandbreite ästhetischer Verfahren wird von diesem Normbruch berührt, so dass Linienführung und Koloration, Sprechblasen und Soundwords, Panelanordnung und Erzählstruktur einer Aufmerksamkeit ausgesetzt werden, die in den zugrundeliegenden normierten Massenprodukten nicht zu finden ist. Die kritische Auseinandersetzung mit Recht und Gesetz, so die hier vertretene These, geht im Superheldencomic daher stets mit einer Thematisierung der eigenen Ästhetik einher.
Hans-Joachim Backe ist Wissenschaftlicher Assistent (Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, Ruhr-Universität Bochum). Dissertation zu Strukturen und Funktionen des Erzählens im Computerspiel (2008). Zahlreiche Aufsätze zur Comicforschung sowie eine Monographie, Under the Hood. Die Verweisstruktur der Watchmen (2010). Vorsitzender des »Research Committee on Comparative Literature in the Digital Age« der International Comparative Literature Association. Forschungsschwerpunkte: Popkulturstudien, transmedialer Erzähltheorie und der Literatur des 19. bis 21. Jahrhunderts.