Lehrstuhl für Medienwissenschaft, Uni Erlangen
In der fiktionalen televisuellen Strafverfolgung und in den Gerichtssälen des Fernsehens hat sich das Video längst als Beweismaterial und Aushandlungsfolie für Schuld/Unschuld etabliert. In Crime-Serien treten Videoaufnahmen an verschiedenen Stellen der Verbrechensaufklärung, Beweissicherung und -erhebung sowie der Gerichtsverwertung in den Fokus. Aufnahmen zur Tatort- und Spurensicherung, Überwachungs- oder Handyvideos, aufgezeichnete Zeugenaussagen oder Bekennervideos lassen diverse Formen und Funktionen des Videos in der fiktional-seriellen Beweisführung erkennen. Das ins Bild gesetzte Videomaterial avanciert innerhalb und über die Grenzen der einzelnen Folge, Staffel oder gar Serie hinweg zum »Schauplatz der Evidenz« (Jäger). Einer Evidenz, die sich mit Ludwig Jäger aus diskursiven Verfahren generiert und ihren Geltungsanspruch nicht zuletzt aus der Sichtbarkeit im öffentlichen Raum bezieht. Laut Vilém Flusser ist das Video ein epistemologisches Werkzeug, das präsentiert und spekuliert – also Welt beobachtet. Das Video als Beobachtungsinstrument stößt den Betrachter zugleich auf das Wahrnehmen dieser Welt. Somit markiert das Videobild in seiner eigenen Ästhetik nicht nur eine Differenz zum televisuellen Bild, sondern thematisiert und präsentiert vor allem das Sehen selbst. Mit der Dopplung des Akts des Sehens im Zuschauerblick korreliert eine Aufmerksamkeitsverlagerung vom Objekt des Sehens auf das Wie des Sehens (Michael A. Islinger). Gleichzeitig fungiert das Videobild als visuelles Gedächtnis – Beobachtetes wird auf Dauer gestellt, gespeichert und rekontextualisiert. US-amerikanische Serien wie Columbo, Breaking Bad oder Homeland diskursivieren so verschiedene Figurationen des Videobildes in der polizeilichen und juristischen Beweisführung und reflektieren dabei Evidenzcharakter, spezifische Beobachtungsleistung sowie Konfigurationen der Speicherung und Zeitlichkeit. Dabei setzt das Fernsehen das Videobild immer auch ins Verhältnis zur eigenen Medialität.
Stephanie Boniberger: Magisterstudium Theater- und Medienwissenschaft u. Politische Wissenschaft an der FAU Erlangen-Nürnberg und Concordia University, Montreal, Kanada. Seit 2012 Lehrkraft für bes. Aufgaben an der FAU.