Lehrstuhl für Medienwissenschaft, Uni Erlangen
»Ich weiß natürlich nicht, ob ich Recht habe oder nicht; wahrscheinlich nicht in allen Punkten. Und natürlich sind andere für die Aufklärung zuständig. Aber genau das ist ja das interessante daran: Die ganze Recherche hat mir das Internet ermöglicht. Das Internet und die Verfügbarkeit von hunderten an Videos, Fotos, Augenzeugenberichten.« http://blog.odem.org/2010/07/ablauf-tragoedie.html
Der Diskurs um die Ereignisse auf der LOVEPARADE 2010 in Duisburg und die daran geknüpfte Schuldfrage sind bereits vor ihrer juristischen Bewertung hochgradig an mediale Zeugnisse/Zeugenschaften und deren Nutzbarkeit als Instrument der Beweisführung gebunden. Gerade durch die Absenz von TV-Live-Bildern des Unglücksgeschehens ist ein diffuses Mit- und Gegeneinander diverser privater Videoquellen bei der Rekonstruktion der Katastrophe zu beobachten. Bei diesem retrospektiven Ringen um ein idealiter vollständiges Abbild des Ereignisses (»wie es wirklich war«) und um dessen rechtliche wie moralische Bewertung wird gleichzeitig auch die Frage nach Beschaffenheit und Implikationen eines »Beweis-Mediums« im wahrsten Sinne des Wortes evident: Überwachungs- und Handykameras als die beiden in diesem Fall maßgeblichen Werkzeuge verschiedener Rechercheversuche zeichnen sich durch einen komplexen – und jeweils höchst unterschiedlich gearteten – Authentizitäts- und Beweisstatus aus, der vor allem im Fall des (viralen) Handyvideos interessante Kontrapunkte zur Visualität des Fernsehens setzt. Zu beobachten ist in der medialen Aufarbeitung und Repräsentation der LOVEPARADE 2010 v.a. im Internet eine Kombination verschiedener, je medienspezifischer Elemente der Authentifizierung und Beweisführung zu einer übergeordneten, allumfassende Evidenzbehauptung – beispielsweise in Form von Mashups –, die an der Schnittstelle zwischen räumlicher und zeitlicher De- und Rekonstruktion, zwischen Schuldzuweisung und Schuldbeweis, zwischen »elektronischem und menschlichem Auge« zu verorten ist.
BA-/MA-Studium der Theater- und Medienwissenschaft sowie Germanistik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Abschluss 2012. Seit 2012 Lehrbeauftragte/Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für Theater- und Medienwissenschaft der FAU.