Jochen Venus

Universität Siegen

Rechtliche und mediale Geltung

In meinem Vortrag möchte ich klären, wie sich die Begriffe rechtlicher und medialer Geltung zueinander verhalten. Im Sinne der Rechtsgeltung steht der Geltungsbegriff traditionell im Zentrum der Rechtsphilosophie. Aber auch in die Medientheorie ist der Begriff der Geltung mit bemerkenswerter Resonanz eingeführt geworden: Lambert Wiesing hat vorgeschlagen, Medien als Mittel zu verstehen, »welche die Trennung von Genesis und Geltung ermöglichen« (L.W.: »Was sind Medien«, in: Ders.: Artifizielle Präsenz, Ffm 2005, 149-164, 154). Zwar lässt Wiesing entscheidende Fragen unbeantwortet, gleichwohl hat er mit dem Stichwort Geltung ein Moment getroffen, das in den etablierten Medienbegriffen, sowohl in den semiotisch-funktionalen wie auch in den technologisch-materialen, unberücksichtigt geblieben ist. Zeichensysteme sind kommunikativ nicht eo ipso funktional, sie müssen für eine Gemeinschaft von Kommunizierenden gelten. Und Technologien sind nicht schon deshalb medial einschlägig, weil sie menschliche Verhaltensmöglichkeiten erweitern. Um Medientechnologien zu sein, müssen sie ästhetische und logische Formen zur Geltung bringen.
Wie sind rechtliche und mediale Geltung vermittelt? Bedürfen rechtliche Geltungen spezifischer Medien, die sie zur Geltung bringen, oder beruht im Gegenteil die mediale Trennung von Genesis und Geltung auf einer rechtlich konstituierten deontischen Kraft?
Eine Analyse des Naturrechtsbegriffs kann diese Fragen beantworten: Der Begriff des Naturrechts musste aus einleuchtenden Gründen in der modernen Rechtstheorie aufgegeben werden; daher kann Rechtsgeltung nur ein medial konstituiertes Phänomen sein; dies erfordert aber systematisch, einen naturalistischen Begriff medialer Geltung zu begründen. Ein solcher Begriff erlaubt, allgemeine Geltungsmedien wie Bild, Klang, Zahl, Geste und Text von besonderen sozialen Steuerungsmedien wie Recht, Macht, Geld, Wahrheit und Liebe zu unterscheiden.

Vita

Jochen Venus, Studium der Medienwissenschaft, Philosophie, Soziologie und Literaturwissenschaft, Promotion über basale medientheoretische Perspektiven und medienanalytische Begriffe, Habilitationsprojekt: Medien und Wir-Intentionalität. Forschungsschwerpunkte: Medienästhetik, Medienphilosophie, Simulationskünste. Arbeitet als lecturer am medienwissenschaftlichen Seminar der Universität Siegen. Zuletzt veröffentlicht: Masken der Semiose. Zur Semiotik und Morphologie der Medien, Berlin: Kadmos 2013.