Brigitta Wagner

Indiana University

Visual Scholarship: Kann die Medienwissenschaft in visueller Form betrieben werden?

Die digitale Wende brachte eine Revolution in der Zugänglichkeit von Bildern mit sich, deren epistemologische Konsequenzen für die Medienwissenschaft bisher nur unzureichend beachtet wurden. Die inzwischen allgemein verfügbaren Möglichkeiten, bewegte Bilder durch leicht zugängliche Verfahren zu bearbeiten (schneiden, ändern, neu ordnen und dann wiederum veröffentlichen), werden in diesem Workshop als Anlass genommen, die Formen eines wissenschaftlichen Umgangs mit bewegten Bildern neu zu denken und zu diskutieren.
Auf der Society for Cinema and Media Studies Conference 2014 wurde das digitale Projekt »[in] Transition« (ein Ableger des Printjournals Cinema Journal) vorgestellt, das eine solche Wende zu initiieren versucht, indem sogenannte »Video Essays« als gleichberechtigte Form des wissenschaftlichen Diskurses eingeführt werden. Es geht um die Anerkennung des Bildes als ebenbürtiges diskursives Mittel für die Wissenschaft. Langfristiges Ziel des Projekts ist es, »Video Essays« den Status von Qualifikationsarbeiten zu verleihen (d.h. als Tenure-würdig zu qualifizieren) und deshalb Qualitätskriterien für die epistemologische und wissenschaftliche Qualität solcher Projekte zu entwickeln.
Im Mittelpunkt dieses Workshops steht die Frage: Wie können Bilder einen diskursiven Platz in der deutschen bzw. deutschsprachigen Medienwissenschaft gewinnen? Jene Kopierpraktiken, die in den USA als »Fair Use« bezeichnet werden und somit rechtlich unbedenklich sind, gelten nicht in gleicher Weise in Europa. In der Bundesrepublik bleiben Medienwissenschaftler, die bewegte Bilder in ihre wissenschaftliche Praxis einbinden wollen, bestenfalls in einer rechtlichen Grauzone. Welche rechtlichen bzw. systemischen Hindernisse stehen momentan einem solchen Medienwechsel im Weg? Welche Initiativen für das »In-Bildern-Denken« sind bereits an hiesigen Universitäten entwickelt worden?
Solchen Fragen will sich der Workshop Visual Scholarship widmen.

Vita

Dr. Brigitta B. Wagner ist Filmhistorikerin, Filmkuratorin und -journalistin sowie Filmemacherin. Als Alexander-von-Humboldt-Stipendiatin an der Freien Universität Berlin und der Universität der Künste erforscht sie die Verbindung zwischen Kino und Örtlichkeit, Gedächtnis und Archiv mit Mitteln der schriftlichen und audiovisuellen Wissenschaft. Nach ihrem Doktorabschluss im Jahr 2008 in Germanistik, Filmwissenschaft und Visuellen Medien an der Harvard University, unterrichtete sie an der Indiana University und NYU Berlin. Ihre Monographie zur Berliner Filmnostalgie und ihr Sammelband zur DEFA sind im Erscheinen.