Irene Schütze

Kunsthochschule Mainz

Wer sind die Künstler/-innen, wo ist die Kunst? Zum Werkbegriff partizipatorischer Kunst

Mit dem Aufkommen von Happening und Fluxus in den 1960er Jahren haben sich künstlerische Projekte, die eine Beteiligung des Publikums voraussetzen, nach und nach als eigene Ausdrucksform etabliert. Seit den 1990er Jahren spricht man von Partizipatorischer (bzw. Partizipativer) Kunst, in Anlehnung an Nicolas Bourriaud von Relational Art oder, um einen Begriff von Suzanne Lacy aufzugreifen, von New Genre Public Art. Diese Kunstformen haben die traditionelle Rollenverteilung von Künstler/-in einerseits und Rezipienten andererseits außer Kraft gesetzt und die Frage nach dem Werk und seiner Konstituierung neu gestellt. Neben die Künstlerin/den Künstler tritt der nicht-künstlerische Teilhaber, der nicht nur interagiert, sondern an der Realisierung des Werks maßgeblich beteiligt ist. Vielfach sind die Projekte so angelegt, dass sie die Bedürfnisse einer bestimmten Öffentlichkeit aufgreifen. Der Künstler tritt dann in die Rolle eines Ideengebers, der sein Konzept im Zusammenwirken mit anderen managt. Dies kann zur Folge haben, dass manche partizipatorischen Projekte als Kunst nicht mehr erkennbar sind: Sie gehen auf in sozialem oder gesellschaftlichem »Design«. Eine solche Kunst lässt sich auf dem Kunstmarkt nur schwer verkaufen, da die Urheberschaft nicht eindeutig geklärt werden kann und es häufig auch kein materielles »Werk« als Produkt gibt. Entsprechend müssen andere Distributionswege gefunden werden: Kulturinstitutionen und Stiftungen, die als Mäzene auftreten, oder Firmen, die Sponsoring betreiben. Auch globale Großausstellungen treten als Förderer partizipatorischer Kunstprojekte auf.
Der Vortrag stellt an Hand von aktuellen Beispielen dar, wie Partizipatorische Kunstprojekte medial in Erscheinung treten, welche Werkbegriffe und Vorstellungen von (Co-)Urheberschaft dahinter stehen. Obwohl die Öffentlichkeit an der künstlerischen Arbeit beteiligt wird, bleibt sie häufig doch anonym, während der Name des Künstler/der Künstlerin wie ein Markenzeichen gesetzt ist.

Vita

geb. 1968. Studium der Kunstgeschichte, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft und Romanistik an den Universitäten Köln, Mailand und Bochum. Forschungsaufenthalt in Antwerpen, Mitgliedschaft im Graduiertenkolleg »Theorie der Literatur und Kommunikation« in Konstanz und Promotion in Freiburg/Br.; danach wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Filmwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) und im Fach Kunsttheorie an der Kunsthochschule Mainz (JGU). Seit 2011 Vertretungsprofessorin für Kunsttheorie an der Kunsthochschule Mainz (JGU).