Götz Lachwitz

Universität Konstanz

Die Kamera vor Gericht. Film- und Fernsehdokumentationen über Gerichtsverfahren in Deutschland im Spiegel des A/V-Aufnahmeverbots von 1964

Seit 1964 unterliegt die mediale Berichterstattung über Gerichtsverhandlungen in der BRD und im wiedervereinigten Deutschland einer deutlichen Einschränkung. Im Wortlaut gilt nach §169 GVG: »Ton- und Fernsehaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts sind unzulässig.« Im Rahmen der Berichterstattung über den NSU-Prozess vor dem Münchner Oberlandesgericht ist das Thema zur Zeit erneut in die Diskussion geraten. Doch welche konkreten Verfahren und Diskussionen gingen dem Erlass von 1964 voraus? Welches Verständnis von Medienöffentlichkeit liegt dieser Entscheidung zugrunde? Und schließlich: Wie hat das Recht direkt auf die Praxis der audiovisuellen Gerichtsberichterstattung in Deutschland Einfluss genommen und welche ästhetischen Formen sind daraus hervorgegangen?
Diesen Fragen will sich der Vortrag aus medienwissenschaftlicher, insbesondere medienhistorischer Perspektive annähern. Den Schwerpunkt bildet dabei die Auseinandersetzung mit Dokumentarfilmen und Fernsehberichten, die über eine kurze Nachrichtenberichterstattung hinausgehen. Dazu soll in einem ersten Schritt der Blick auf einige der wenigen längeren »Dokumentarberichte« zu Gerichtsverhandlungen gerichtet werden, die in den 1950er Jahren in der ARD ausgestrahlt wurden. Unter Berücksichtigung der Restriktionen, denen diese bereits damals unterworfen waren, wird untersucht, inwiefern diese eine spezifische Ästhetik nach sich gezogen haben. Im zweiten, lediglich kursorischen Schritt, soll schließlich auf dokumentarfilmische Verfahren eingegangen werden, die sich ihrem Gegenstand seither aus sekundärer Perspektive annähern.

Vita

Götz Lachwitz ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im DFG-Projekt »Geschichte des dokumentarischen Films in Deutschland 1945-2005« an der Universität Konstanz. Er studierte Medienwissenschaft, Musikwissenschaft und Neuere deutsche Literatur in Bonn und Salamanca, absolvierte zuvor eine Ausbildung zum Tontechniker und arbeitete als Mediengestalter und -dokumentar. Er verfolgt ein Promotionsprojekt zu performativen Strategien im Dokumentarfilm und beschäftigt sich intensiv mit dokumentarischen Gerichtsfilmen.