Manuela Klaut

Leuphana Universität Lüneburg

Gerichtsäle, Politbüros, Hörsäle und Lehrerzimmer - Verhältnisse des juristischen Falls

Der juristische Fall als Formation verschiedenster Textgenres (unter anderem Geständnisse, Zeugenaussagen, Personenbeschreibungen, Verhörprotokolle) und Auslassungen, versammelt diese als Operation der Rechtsprechung. Diese Wissensformen lassen sich z. B. in den Werken des Schriftstellers, Filmemachers und Juristen Alexander Kluge als poetische Konfiguration von Geschichts- Gerichts- und Prozessreflexionen ermitteln.
Die Korrespondenzen zwischen literarischen und medialen Darstellungsweisen erhalten im Fall die »kulturwissenschaftliche Relevanz einer disziplinenübergreifenden Wissenspoetik« (Pethes, Literatur und Wissensgeschichte) - die vor allem in Alexander Kluges Fällen eine konsequente und interdisziplinäre Ausweitung des medienwissenschaftlichen Arbeitsfelds verfolgt, indem diese Texte sich verschiedensten Aufzeichnungssystemen verschreiben. Diese Anordnungen aus Interviews, historischen Quellen, Bildern und Zitaten zeigen in ihrer Verfasstheit die Methode ihrer Übertragung an: Die Texte sind teilweise unvollständig, geben verschiedene Perspektiven auf ein Ereignis frei, oder weisen literarische Figuren als historische aus – so entstehen Wissensformationen, die mit ihren Tatbeständen und Auslassungen paritätisch umgehen. Diese Text-Montagen loten nicht nur die Möglichkeiten von Erzählbarkeit aus, sie lassen erst durch ihre Form des Aufschreibens die Lücken entstehen, die sie nicht nur zum »Prüfmaterial des Systemcodes Recht« (Vismann, Akten) werden lassen, sondern zudem das Denken in »Fällen« erst möglich macht.
Für Kluges Fälle wird so anwendbar, was Foucault bereits in seiner Herausgabe des Fall Rivière (1975) festlegt, nach dem der Text ein Bündel von Beziehungen ist, der nicht die Tat als solches wiedergibt, sondern Verhältnisse beschreibt, die sich immer noch verändern.

Vita

M. Klaut studierte Verwaltungsökonomie in Halberstadt und Medienkultur in Weimar. Sie organisierte 2012 (gemeinsam mit Fabian Steinhauer) das erste »Festival des nacherzählten Falls« und ist Herausgeberin des »Kinohefts« und der »1.2.3.« (Semsterschrift für interdisziplinäre Forschung). Sie war von 2010 bis 2013 Stipendiatin an der Bauhaus-Universität Weimar mit dem Dissertationsprojekt »Die Logik und Poetik des juristischen Falls«
Seit Oktober 2013 arbeitet sie am Institut für Kultur und Ästhetik Digitaler Medien (ICAM) der Leuphana als wissenschaftliche Mitarbeiterin.