Universität Leipzig, Medienwissenschaft
Während der ersten und der radikalsten Jahre der frankistischen Diktatur in Spanien (1939-1975) stellten Historienfilme das bedeutendste Genre dar. Sie wurden oft als propagandistische Waffe eingesetzt, um relevante historische Ereignisse politisch linientreu umzudeuten, und lieferten somit Vergangenheitsbilder, die der Legitimation des faschistischen Regimes dienten. Die Großproduktion »Alba de América« (Der Aufstieg Amerikas), im Jahr 1951 von Juan de Orduña mit staatlicher Unterstützung produziert, gilt als Kulmination und letztes großes Beispiel des Genres: In diesem Film werden beispielsweise Parallelen zwischen der Reise des Columbus und der Rolle Spaniens als »geistigem Stützpunkt des Abendlandes« gezogen, dessen Berufung die Verbreitung des katholischen Glaubens sei; gleichzeitig werden Feindbilder (Ausländer, Juden) entworfen, die die diktatorische Rhetorik der Autarkie unterstützten.
Anhand dieses Fallbeispiels will dieser Beitrag konkrete Möglichkeiten politischer Instrumentalisierung eines Filmgenres in einem diktatorischen System erforschen, seine Existenz in einer Matrix aus Förderungs- und Zensurmaßnahmen, zwischen der Suche nach der Publikumsbeliebtheit und der Berücksichtigung von Propagandazielen ausloten. Dabei sind narrative Topoi, Erzählstrategien sowie der hybride Charakter des Genres besonders zu beachten, das z.B. wichtige Elemente aus dem Melodrama übernimmt. Als barockes Spätwerk, das viele der Genre-Merkmale überspitzt präsentiert, weist der Film gleichzeitig auch auf dessen Grenzen hin: Der frankistische Historienfilm sollte in den frühen 1950er Jahren, die einen politischen (allmähliche Integration Spaniens in die westliche Staatengemeinschaft) und filmhistorischen (z.B. Aufnahme des Neorealismus) Wandel ankündigten, langsam obsolet werden.
Dr. Fernando Ramos Arenas, Jahrgang 1981, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig im DFG-geförderten Forschungsprojekt »Cinéphilie unter der Diktatur. Europäische Filmkultur zwischen 1955 und 1975 am Beispiel Spaniens und der DDR«. 2010 promovierte er an der Leipziger Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie mit einer Arbeit zur Geschichte der Diskurse über filmische Autorenschaft. Weitere Veröffentlichungen betreffen Medienkultur sowie Filmgeschichte, -theorie und -ästhetik.