Florian Mundhenke

Universität Leipzig, Medienwissenschaft

Die Rolle thematische Zensur im Genrefilm: Das Thema Nationalsozialismus im deutschen Veröffentlichungskontext

Eine Zensur als einfache Praxis des Herausnehmens oder Kürzens bestimmter Szenen (etwa im Horrorfilm oder im Erotikfilm) hat eine lange Tradition im Genrefilm. Der Beitrag möchte sich einer anderen Randerscheinung widmen, und zwar der inhaltlichen Veränderung von Genrefilmen zur Anpassung der Veröffentlichung in bestimmten Ländern. Dabei soll es hier insbesondere um die Tilgung des Problemkomplexes »Nationalsozialismus« bei der Herausgabe von Beispielen gehen, die im Kulturkontext des angloamerikanischen Films (bzw. Fernsehens) entstanden sind, und für die neue Versionen speziell für den deutschen Markt erstellt wurden. Ikonisches Beispiel für dieses Vorgehen ist der Film »Foreign Correspondent« (1941) von Alfred Hitchcock, der als deutsche Fassung unter dem Titel Mord 1961 in die deutschen Kinos kam, wobei durch radikale Kürzungen und Umdeutungen der Figuren eine Entschärfung der propagandistischen, anti-deutschen Haltung vorgenommen wurde. Erst 1986 gelangte der Film unter dem Titel Der Auslandskorrespondent in einer vollständigen deutschen Fassung erneut in die Kinos. Noch radikaler erscheint in dieser Hinsicht der Umgang mit dem ikonischen Beispiel »Casablanca« (1942, Michael Curtiz), der 1952 in einer gekürzten und in der Synchronisation verfälschten Fassung in die bundesdeutschen Kinos gelangte: Alle Hinweise auf Nationalsozialismus und Vichy-Regime waren getilgt, die politischen Konflikte wurden zu einer Agentengeschichte vereinfacht und der Widerstandskämpfer in einen norwegischen Atomphysiker verwandelt.
Neben einem Blick auf die textuelle Ebene dieser (und weiterer Beispiele) sollen vor allem die Begleitumstände einer diskursiven Einbettung und Begründung dieser Praxis erörtert und vor dem Hintergrund des Diskurses der Vergangenheitsbewältigung (bzw. -verdrängung) betrachtet werden. Dazu werden Produktionsnotizen, Zensurverweise und Diskussionen in den Medien hinzugezogen, die einer kritischen Sichtung des Veröffentlichungskontextes dienen sollen.

Vita

Florian Mundhenke, Dr. phil., Juniorprofessor für Mediale Hybride an der Universität Leipzig. Sprecher des DFG-Netzwerks »Erfahrungsraum Kino«. Programmdirektor bei mephisto 97,6 – Das Lokalradio der Uni Leipzig. Projektverantwortlicher der Plattform hochschultv.de. Von 2004 bis 2007 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter Redakteur der Zeitschrift MEDIENwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg. Promotion über das Zufällige im Spielfilm (Marburg 2008). Forschungsschwerpunkte: Medialer Wandel, Gattungs- und Genretheorie, Ästhetik und Pragmatik von Film und Fernsehen.