Universität Hamburg
»Witnesses lie, the camera doesn't !« – Von diesem moralskeptischen, jedoch medienunkritischen »Vorurteil« ausgehend, nimmt im Horror-Thriller EVIDENCE (USA 2013) ein Ermittlerteam die Beweissichtung in einem äußerst unansehnlichen Mordfall auf. Im Fokus der Untersuchungen steht dabei für die vermeintlich technisch Sachverständigen innerhalb der Diegese sowie für die Film-Zuschauer vor den Abspielgeräten gleichermaßen nicht die Spurenlese am Tatort, sondern die retrospektive Rekonstruktion des Tathergangs anhand von Videoaufzeichnungen. Gemäß dem im Trailer postulierten Moto »Watch the videos, witness the events, uncover the truth!« fordert der Film seinen Betrachter dazu auf, einer scheinbaren medialen Wahrheit ins Auge zu blicken, die gleichsam jedoch inszenatorisch als Trugbild zur Schau gestellt wird.
Der Vortrag widmet sich, ausgehend von einer medienwissenschaftlich reflektierten Sichtung dieser anschaulichen Fallstudie und einer Auseinandersetzung mit dem juristischen Konzept der Inaugenscheinnahme, der übergeordneten Frage nach der gerecht(fertigt)en Vermittelbarkeit von »Tatsachen« durch audiovisuelle Medien. Damit verbunden wird zudem die Frage nach der objektiven Geltung auf sinnlicher Wahrnehmung augenscheinlicher Beweismittel basierender Urteile adressiert. In den Blick genommen werden Phänomene der täuschenden und damit unrechtmäßigen Evidenzerzeugung mittels Bewegtbild in ihrer selbstreflexiven bzw. fiktionalen medialen Brechung. Zur Verhandlung stehen dabei aus medienästhetischer sowie -theoretischer Perspektive sowohl die ambivalente (Dar-)Stellung des Zuschauers als mittelbarem »Augenzeugen« einerseits und als zugleich Anteil nehmendem wie richtendem Beobachter andererseits, sowie schließlich die Inszenierung des Mediums Video und dessen Glaubwürdigkeit im Film selbst.
Sandra Ludwig, Dipl.-Medienwiss., M.A.
studierte Medienwissenschaft und Medienmanagement an der Universität zu Köln sowie Literatur-, Kultur- und Medienwissenschaft an der Universität Siegen. Dort ist sie seit September 2011 als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Medienästhetik und als Dozentin im Lehrveranstaltungsbereich des medienwissenschaftlichen Seminars tätig.